Die Göttliche Komödie

Aus Odysseetheater
Dante im Exil, Gemälde von Domenico Petarlini (etwa 1860)
Dante Alighieri
2015

Personen

Wolfgang Peter Dante Alighieri
Florian Dubois Vergil, Greif, Adam, Bernhard
Margherita Ehart Beatrice, Panther, Semiramis, Kleopatra, Borstenbart, Sirene, Luzifer
Brigitta Schadeck Lucia, Capocchio, Seele, Aglauros, Filippo Argenti
Christine Kowol Löwe, Francesca da Rimini, gestürzter Engel, Megära, Brunetto Latini, Griffolino, Alberigo Casella, Pia, Engel, Hugo Capet, Dirne, Piccarda, Adler, Erzengel Gabriel
Rosemarie Gutmann Seele, Engel, Baum des Lebens, Lea, Drache, Matelda, Nino, Wölfin, Alekto, Belaqua, Witwe, Sapia, Wölfin, Cunizza, Ciampolo, Sinon
Peter Ponta Plutos, Nikolaus III., Cavalcanti, Kaiphas, Montefeltro, Nimrod, Umberto, Baum der Erkenntnis, Rinier de Calboli, Hadrian V., Riese, Folco, Caccaguida, Petrus
Helga Freihsl Himmelskönigin Maria, Seele, Engel
Maria Hudec Ciacco, Tisiphone, Nessus, Rusticucci,  Caccianemico, Adamo, Büßer, Guido del Duca, Marco, Forese, Guido Guinizelli, Salomo, Pietro Damiano
Thomas Wünsch Charon, Minos, Phelgyas, Farinata, Chiron, Pier della Vigna, Kapaneus, Geryon, Catalano, Cacus, Odysseus, Betran de Born, Anteus, Ugolino, Cato, Sordello, Trajan, Statius, Thomas v. Aquin, Benedikt
Kostüme und Masken Renate Renhofer
Technik Walter Vogl
Regie Wolfgang Peter

Inhalt

Dantes Weg führt durch das Höllentor hinab durch die 9 Kreise des Inferno bis zur Eishölle im Mittelpunkt der Erde. Auf Geheiß seiner verstorbenen Jugendfreundin Beatrice ist Vergil sein Führer. Ein schmaler Gang führt schließlich hinauf zur anderen Seite der Erde, wo sich der Läuterungsberg,  erhebt, den Dante und Vergil erklimmen, bis Dante an der Spitze des Purgatorio das irdische Paradies, den Garten Eden, betreten darf. Hier muss ihn Vergil verlassen. Gestärkt durch den Trunk aus Lethe und Eunoe führt ihn nun Beatrice durch die 7 Planetensphären des Paradiso, durch die Fixsternsphäre und den Kristallhimmel bis in das Empyreum, wo die Engelhierarchien wohnen. Zuletzt wird Dante ein tiefer Einblick in das Reich der dreifaltigen Gottheit gewährt.

Inferno

In der Mitte seines Erdenlebens, am Karfreitag des Jahres 1300, verirrt sich Dante, vom Pfad der wahren Tugend abgekommen, in einem dunklen Wald. Weit über sich sieht er die Sonne, die strahlend im Frühlingszeichen des Widders steht, und Dante ahnt, dass Gottes Liebe all die Pracht bewegt. Drei wilde Tiere hindern Dante am Aufstieg zum Quellort aller Tugend: Ein Panther, ein Löwe und zuletzt eine Wölfin, die für der Begierden Sünde steht. Sie treibt Dante immer tiefer in das dunkle Tal. Hier trifft Dante auf den römischen Dichter Vergil, der in seiner «Äneis» die Hadesfahrt des Äneias geschildert hatte. Mit dem Hinweis auf den kommenden Veltro, den „Windhund“, der die Erlösung bringen werde, vertreibt er die wilden Tiere. Dann schildert Vergil, wie er von Beatrice, der frühverstorbenen, hochverehrten Jugendliebe Dantes, und auf Geheiß der Himmelskönigin auserkoren wurde, Dante durch die Unterwelt und das Purgatorio zu geleiten, um ihn so geläutert bis an die Pforten des Paradiso zu führen, wo Beatrice ihn erwarten und weiter bis in die höchsten Höhen der Göttlichen Welt geleiten werde.

Dante und Vergil durchschreiten das Höllentor, über dem die markanten Worte stehen: „Wer eintritt, lasse alle Hoffnung fahren.“ Und so betritt Dante bereits als Lebender – ähnlich wie Äneias – das Totenreich.

Im 1. Höllenkreis, der Vorhölle, befinden sich die Seelen all jener Menschen, die zwar ohne schwere Sünden, aber in vorchristlicher Zeit und ohne Taufe verstorben sind und daher der Göttlichen Gnade nicht teilhaftig werden können. Ausgenommen sind nur die großen biblischen Gestalten des Alten Testaments und einige wenige andere Personen.

Im 2. Höllenkreis büßen, vom Sturmwind der Leidenschaften getrieben, die Wollüstigen für ihre Sünden. Mit bitteren Tränen beklagt Dante das tragische Schicksal von Francesca da Rimini und Paolo Malatesta, die aus zärtlicher Liebe zueinander Ehebruch begangen hatten und dafür von Francescas Ehemann Giancotto Malatesta ermordet worden waren.

Am Abstieg zum 3. Höllenkreis wacht der dreiköpfige Höllenhund Zerberus. Im Schlamm wälzen sich hier die Schattenleiber jener Toten, die der Gier verfallen sind. Hier büßt auch der florentinischen Schlemmer Ciacco.

Im 4. Höllenkreis, wo Geiz und Verschwendung als zueinander spiegelbildliche Vergehen gleichermaßen bestraft werden, tritt ihnen Plutos entgegen. Die Geizigen heben schwere Lasten auf und wälzen sie vor sich hier, die Verschwender werfen alles von sich.

Die Wanderer setzen über die Styx. Aus dem schlammigen Ufersaum, wo der 5. Höllenkreis beginnt, in dem die Jähzornigen und Verdrossenen büßen, reckt sich der nichtsnutzige Filippo Argenti empor, den Dante hart zurückstößt.

Im 6. Höllenkreis, vor dem mächtigen Tor der Stadt Dis, aus der schreckliche Schmerzensschrei ertönen, verweigert ihnen ein gestürzter Engel den Eintritt, doch ein Engel des Herrn bricht das Tor auf. Die Wanderer treten ein und sehen, wie Ketzer in glühenden Särgen rösten. Dante trifft hier Farinata, den Führer der ihm feindlichen Ghibellinen, und auch Cavalcanti, den Vater seines Jugendfreundes Guido.

Der 7. Höllenkreis, in dem die Gewalttäter büßen, gliedert sich in drei Ringe, in denen die Seelen für die Gewalt am Du, am Ich und an Gott ihre Strafe erleiden. Wutschnaubend stürmt ihnen hier der Minotaurus entgegen. Unten im Tal fließt der kochende rote Blutstrom des Phlegeton, in den die hier leidenden Gewalttäter von Zentauren mit Pfeil und Bogen immer wieder hineingetrieben werden. Im Dornenwald des zweiten Rings leiden die Selbstmörder, die zu Bäumen und Sträuchern verwandelt, in denen die Harpyen nisten, ihr körperloses Dasein fristen. So auch Pier della Vigna, der schmählich verleumdete Kanzler Friedrichs II., der sich im Kerker selbst getötet hatte. Im glühenden Sand des dritten Rings büßen die Gotteslästerer, Sodomisten und Päderasten. Hier trifft Dante schmerzlich überrascht auf seinen hochverehrten Lehrer Brunetto Latini und auf andere ruhmvolle Männer aus Florenz.

Geryon, ein Mischwesen aus Mensch, Löwe und Schlange, trägt Dante und Vergil in den 8. Höllenkreis hinab, der sich in zehn ringförmig angeordnete Sacktäler (“Malebolge”) gliedert.

Im 1. Graben sind die Kuppler und Verführer gefangen. Dante erkennt hier Caccianemico, der seine Schwester Ghisolabella verkuppelt haben soll. Im 2. Graben waten die Dirnen und Schmeichler im Kot, darunter Interminei aus Lucca und die Hure Thais. Im 3. Graben büßen die Simonisten. Die Sünder, wie Papst Nikolaus III., stecken kopfüber in steinernen Becken, aus denen nur die Beine hervorragen. An ihren Füßen nagt das Feuer. Wahrsager und Zauberer durchwandern ruhelos den 4. Graben. Ihr tränenüberströmtes Antlitz ist zum Rücken hin verrenkt, sodass sie gezwungen sind, rückwärts zu schreiten. Den 5. Graben teilen sich Betrüger und Betrogene, Bestecher und Bestochene. Sie büßen in einem Teich voll kochendem Pech und werden von Teufeln mit Bratspießen immer wieder untergetaucht. Murrend geleiten die Teufel die beiden Wanderer durch den Graben. Da läuft ihnen Ciampolo entgegen, der die dummen Teufel so verwirrt, dass einige Büßer entkommen, worüber die genarrten Teufel in heftigen Streit geraten und zwei von ihnen selbst in den Pechsee stürzen. Dante und Vergil eilen in den 6. Graben, wo ihnen in bleischweren goldenen Mänteln die Heuchler Catalano und Loderingo entgegenwanken. Mit Pflöcken auf die Erde gekreuzigt sehen sie hier auch Kaiphas. Im 7. Graben werden die Diebe und Räuber gefesselt und zerfressen von fürchterlichen Schlangen, die plötzlich aufflammen und zu Asche zerfallen, aus der sie aber sogleich wieder erstehen. Hier lästert der Kirchenschänder und Raubmörder Vanni Fucci Gott mit obszöner Geste. Dann lösen sich drei Gestalten vom Boden. Eine Echse naht, die mit ihren Krallen nach einer der Gestalten stößt und sie immer enger umklammert. Wie Wachs verschmelzen beide miteinander und verwandeln sich in einer erstaunlichen Metamorphose wechselseitig ineinander. Der Mensch wird zur Echse, die Echse zum Menschen. Dante hält danach eine kurze Strafrede auf Florenz. In flackernde Flammen gehüllt durchschweben alle hinterlistigen Ratgeber den 8. Graben. Eine gespaltene Doppelflamme birgt Diomedes und den listigen Odysseus, der ausführlich von seinem Schicksal berichtet. Hier weilt auch Guido von Montefeltro, der als verschlagener Berater dem Papst gedient hatte. Im neunten Graben büßen die Zwietrachtstifter mit klaffenden Wunden, die sich rasch wieder schließen und von einem Teufel mit scharfem Schwert immer wieder aufgerissen werden. Hier treffen Dante und Vergil auf Mahomet und auf den Troubadour Bertran de Born, der sein abgeschlagenes Haupt am Schopf hält. Im 10. Graben leiden die Alchemisten, Falschmünzer und Fälscher an ekelhaften Krankheiten, darunter Griffolino und Capocchio, Gianni Schicchi und Myrrha und der Falschmünzer Adamo, der mit Sinon, welcher die Trojaner überredet hatte, das hölzerne Pferd in die Stadt zu bringen, in heftigen Streit gerät.

Der Riese Antaeus, der seine ganze Kraft aus der Erde schöpft, setzt die beiden Wanderer im 9. Höllenkreis ab, der sich in vier Abschnitte gliedert und wo eingefroren im eisigen Fluss des Kozytus die Verräter büßen. In der Caina, dem Kainsort, leiden die Verräter an den Verwandten. In der Antenora büßen die Vaterlandsverräter. Hier trifft Dante auf Graf Ugolino, der seine Zähne gierig in das Genick von Erzbischof Ruggieri schlägt. Dieser hatte Ugolino überfallen und zusammen mit dessen Kindern und Enkeln in den Turm geworfen, um sie dort eines qualvollen Hungertodes sterben zu lassen. In der Ptolemäergrube treffen die Reisenden Alberigo, der seine Verwandten vergiftet hatte. Sein Körper weilt noch, besetzt von einem Dämon, lebendig auf Erden, während seine Seele bereits in der Hölle büßt. Zuletzt, im Judasland, ragt der mächtige, dreiköpfige Leib Satans aus dem Eis, der Judas, Cassius und Brutus verschlingt. Am Zottelfell Satans klettern Dante und Vergil nach unten. An der Stelle, wo die Schenkel in die breite Hüfte münden, ist der Mittelpunkt der Erde! Von nun an müssen sie wieder aufwärts klettern. Durch einen gewundenen Grottengang gelangen Dante und Vergil rasch an die Oberfläche und sehen das Licht der Sterne.

Purgatorio

Dem grausen Höllenmeer entronnen, finden sich Dante und Vergil am Strand jener weit im südlichen Meer gelegenen Insel wieder, auf der sich der Läuterungsberg so mächtig erhebt, dass der suchende Blick nicht bis zu seiner Spitze reicht. Dante ruft die heiligen Musen an, insbesondere Kalliope, die Muse der epischen Dichtung, ihm Kraft zu geben, von jenem zweiten Reich zu singen, wo Läuterung den Menschen zur Verpflichtung wird, um Himmelshöhn sich würdig zu erweisen. Am saphirblau schimmernden Himmel steht im Osten das Liebesgestirn der Venus im Sternbild der Fische. Gegen Süden gewendet erblickt Dante ein Kreuz, gebildet aus vier Sternen, die die klassischen platonischen Kardinaltugenden repräsentieren: Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit und Gerechtigkeit. Im Norden sinkt der Große Bär gerade unter den Horizont.

Ein ehrfurchtgebietender Greis mit langem Bart und Silberhaar erscheint und spricht die Wanderer an. Es ist Cato der Jüngere (Marcus Porcius Cato Uticensis, 95-46 v.Chr.), der im Mittelalter als Verteidiger der römischen Freiheit gegen Cäsar galt. Um diesem nicht in die Hände zu fallen, hatte er in Utica Selbstmord begangen. Ob seiner ehrenvollen Haltung wurde er bei der Höllenfahrt Christi am Karsamstag aus dem Inferno befreit. Vergil überbringt ihm die Liebesgrüße von dessen Gattin Marzia, die wie Vergil selbst und viele andere reine, aber ungetaufte Seelen den ersten Höllenkreis, die Vorhölle, bewohnt. Dann erzählt Vergil, wie er Dante auf höchsten Auftrag durch die jenseitigen Reiche bis hin zum irdischen Paradies zu führen habe, das auf dem Gipfel des Läuterungsberges liegt, von wo aus Dante von Beatrice bis zu den höchsten himmlischen Höhen geleitet würde. Cato befiehlt Vergil, Dante mit reinster Binsenborte zu gürten und dafür zu sorgen, dass dieser sich das Antlitz gründlich wasche, um allen Schmutz der niederen Welten loszuwerden. So geschieht es auch und Cato entfernt sich.

Die Sonne steigt und im frühen Licht regt sich Mars. Jerusalem und der Läuterungsberg liegen antipodisch; geht in Jerusalem die Sonne unter, so geht sie hier auf. Schon naht die Engelsbarke, mit der die Seelen der Toten, die zur Läuterung und nicht zu ewiger Verdammnis bestimmt sind, von der Tibermündung zum Purgatorio gebracht werden. Gemeinsam singen sie „Als Israel gezogen aus Ägypten...“ (Psalm 114). Der Engel des Herrn, vor dem Dante und Vergil ehrfürchtig auf die Knie sinken, steht am Heck.

Die Seelen betreten den weiten Strand und befragen Vergil nach dem weiteren Weg, doch dieser muss bekennen, dass er selbst noch völlig fremd in diesem Reich ist. Staunend erkennen die Seelen, dass Dante noch zu den Lebenden zählt. Unter ihnen ist auch Dantes Jugendfreund Casella, der dessen Kanzonen vertont hat. Sie wollen einander umarmen, was aber an der Körperlosigkeit der Seele scheitert. Casella entfernt sich lächelnd, Dante folgt ihm und bittet ihn, noch zum Gespräch zu verweilen. Casella berichtet, dass er jetzt erst angekommen sei, weil ihm der Engel mehrmals die Überfahrt verweigert hatte – doch das sei aus gerechtem Willen geschehen. Seit drei Monaten aber habe der Engel jeden mitgenommen, der hierher wollte – und so auch ihn. Dann beginnt Casella lieblich einen Vers Dantes zu singen, der alle, auch Vergil, bezaubert. Da erschallt die Stimme Catos und mahnt zur Eile. Verstört eilen die Seelen zum Berg. Dante und Vergil folgen ihnen.

Sie nähern sich der Steilwand. Zu seiner Linken sieht Dante Seelen, die sich so träge bewegen, als ob sie niemals etwas dränge. Hier harren die unter kirchlichem Bann Gestorbenen ihrer Läuterung. Zögernd und mit gesenktem Kopf trippeln die Seelen näher und sind höchst erstaunt, dass Dantes Schatten auf die Erde bis hin zur Wand geworfen wird. Aus der Geisterschar löst sich einer mit blonden Haaren. Auf seiner Stirn klafft eine Wunde. Als Dante ihn nicht erkennt, zeigt er diesem auch seine tiefe Brustverletzung. Es ist König Manfred von Sizilien (1232-1266), der natürliche und später legitimierte Sohn Kaiser Friedrichs II. Wegen seines ausschweifenden Lebenswandels wurde er exkommuniziert und fiel 1266 in der Schlacht von Benevent. Er muss das Dreißigfache der Zeit seiner Exkommunikation im Vorpurgatorium ausharren.

Der weitere Aufstieg führt durch einen engen Felskamin. Schließlich erreichen Dante und Vergil einen Hang mit leichter Schräge. Dante staunt noch immer darüber, dass die Sonne von links aufgegangen ist. Vergil belehrt ihn ausführlich über die Lage des Läuterungsberges auf der südlichen Hemisphäre.

Eine nahe Stimme höhnt. Es ist Belaqua, ein wegen seiner Faulheit stadtbekannter florentinischer Musikinstrumentenbauer und Zeitgenosse Dantes. Belaqua erklärt, warum sich die Seelen hier so träge bewegen. Jene, die, wie er selbst, ihre Reue bis zum Lebensende hinausgeschoben haben, müssen hier im Vorpurgatorium so lange ausharren, wie ihr irdisches Leben währte, ehe sie zum Aufstieg auf den Läuterungsberg zugelassen würden. Jede Eile sei hier vergebens.

Vergil drängt weiter, da die Sonne schon zum Mittag steigt. Das „Miserere“ (Psalm 51) singend nahen weitere Seele. Auch sie staunen über Dantes Schatten und bitten ihn, nach seiner Rückkehr in die Erdenwelt von ihren Leiden zu künden. Darunter ist auch Pia di Tolomei aus Siena, die von ihrem Gatten Nello da Pannocchieschi, weil er sie der Untreue verdächtigte, 1295 in einem seiner Schlösser auf geheimnisvolle Weise getötet wurde. Fürbitten der noch Lebenden können das Los der Leidenden erleichtern. Dante ist darüber verwundert, da Vergil in seiner Äneis beschrieben hatte, dass auch Bitten den Urteilspruch über die Seelen nicht ändern könnten. Doch das habe sich seit Christi Erdenleben geändert, erwidert Vergil; weitere Auskunft darüber könne aber später erst Beatrice geben.

Während sich der aus Mantua stammende Dichter Sordello (um 1200-1270) nähert, hält Dante seine große Strafrede über die Zwietracht in Italien. Als sich Vergil zu erkennen gibt, wird er von Sordello freudig und ehrfürchtig begrüßt. Vergil berichtet von der Reise durch das Inferno und fragt Sordello, wie man am raschesten auf den Berg aufsteigen könne. Da schon der Abend dämmert und in der Nacht der Aufstieg unmöglich ist, führt Sordello die Wanderer zu einem tief in den Berg eingeschnittenen Tal, wo zahlreiche Herrscher das Unglück ihrer Völker beklagen. Zu ihnen zählen Rudolf I. von Habsburg und Přemysl Ottokar II. von Böhmen, der Rudolf unterlegen und 1278 in der Schlacht auf dem Marchfeld gefallen war. Auch sehen sie Heinrich VII. (1278/79-1313), der die kaiserliche Oberhoheit in Italien wiederherzustellen versuchte und auf den Dante so große Hoffnungen gesetzt hatte.

Zwei grün wie frisches Laub gekleidete Engel mit grünen Flügeln und roten Flammenschwertern fahren aus der Höhe nieder. Dante sieht sich erschreckt und wachsam um und erblickt Nino Visconti, der Richter in Gallura in Sardinien gewesen war. Als Dante von seiner Höllenfahrt berichtet, weckt Nino fassungslos erstaunt Currado Malaspina. Am Südhimmel ist indessen das Dreigestirn aufgegangen, das für die christlichen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung steht; das morgendliche Viergestirn der Kardinaltugenden ist bereits untergangen. In diesem Moment erscheint der Widersacher in Gestalt einer Schlange, die sich durch Gras und Blumen windet. Wie Falken stürzen die grünen Engel auf ihn nieder und vertreiben ihn.

Es wird Nacht. Dante versinkt im Schlaf. Im Morgentraum erlebt Dante, wie er von Lucia durch die Feuersphäre zur Pforte des eigentlichen Purgatoriums getragen wird. Schreckensbleich durchzittert wie von Frost erwacht er. Vergil beruhigt ihn und steigt den Berg hinan. Dante folgt ihm zum Tor, zu dem drei verschiedenfarbige Stufen hinaufführen. Darüber, auf höchster Schwelle, sitzt mit blankem Schwert und versteinerter Miene ein Engel als Pförtner. Die erste Stufe aus strahlend weißem Marmor spiegelt Dantes Ebenbild. Sie steht für die Selbsterkenntnis und das Bekenntnis der Sünden. Die zweite Stufe zeigt dunkle Farbgestalten, der Länge wie der Breite nach gespalten. Sie repräsentiert die Liebe, die nach erfolgter Lossprechung zur Sühne und zu guten Werken drängt. Die dritte Stufe drückt schwer auf jene, scheint aus Porphyr, wie rote Feuergüsse, wie Blut, entsprudelnd einer offenen Vene. Sie ist das Symbol des unvergänglichen Erlösungswerks Christi und der unveränderlichen Festigkeit des Bußsakraments Darauf ruhen die beiden Füße des Gottesengels, der auf der Schwelle sitzt, die aus Diamant gefügt ist. Demütig fällt Dante nieder und schlägt sich dreimal an die Brust. Der Engel ritzt mit seinem Schwert sieben „P“ (von lat. peccatum „Sünde“) in Dantes Stirn. Sie stehen für die sieben Hauptlaster, fälschlich oft auch als die sieben Todsünden (peccatum mortiferum) bezeichnet. Diese sind aber keine Sünden im eigentlichen Sinn, denn Sünden sind augenblickliche, einzelne Verfehlungen, die im Emotionalen (Astralleib) wirken, wenn der Mensch einer momentanen Versuchung verfällt, während die Laster als dauerhafte, sich regelmäßig immer wieder geltend machende schlechte Angewohnheiten tief unterbewusst in den Lebenskräften (Ätherleib) leben. Die sieben Hauptlaster, von denen sich Dante auf den folgenden sieben Terrassen des Läuterungsberges befreien muss, sind, geordnet nach abnehmender Schwere:

Hochmut (Superbia), Neid (Invidia), Zorn (Ira), Trägheit des Herzens (Acedia), Geiz (Avaritia), Gier (gemeint ist hier die Schlemmerei; Gula) und Wollust (Luxuria).

Mit dem goldenen und silbernen Schlüssel Petri öffnet der Engel das Tor und Dante und Vergil beginnen ihren Aufstieg.

Dante und Vergil betreten den ersten Kreis des Purgatoriums, wo dem Hochmut vielfache Bilder der Demut entgegengehalten werden. Mühsam durchdringen die Wanderer eine Felsenschlucht mit zwei Seitenwänden wie Wellen, welche kommen oder fliehen. Sie kommen nur langsam weiter, bis sie endlich unbeschwert im Freien auf dem Band stehen, das den Berg umwindet. Ein Kranz von weißen, lebendig wirkenden Marmorbildern schmückt die steile Felswand des Berges mit Szenen der Demut. Beglückt sieht Dante zunächst den Engel der Verkündigung mit Maria. Ein weiteres Relief zeigt die Legende von Kaiser Trajan und der klagenden Witwe. Trajan (98-117 n.Chr.) galt als der beste und edelste römische Kaiser und soll nach der Legende durch die Gebete von Papst Gregor I. dem Großen (590-604) ins Paradiso eingelassen worden sein, nachdem ihm eine zweite, christliche, irdische Inkarnation ermöglicht wurde (siehe Paradiso 20). Dann sehen sie Büßer, die gebückt gehen, als wären sie mit schweren Steinen beladen und das Vaterunser beten. Umberto Aldobrandesco, ehemals Graf von Santafiore, ein stolzer toskanischer Raubritter, der sich durch seinen unerträglichen Hochmut dem Volk von Siena so verhasst machte, dass er in Campagnatico, einem Ort der Maremma, zuletzt ermordet wurde, weist ihnen den weiteren Weg. Vergil deutet auf den Boden, wo Skulpturen mit Beispielen bestraften Hochmuts zu sehen sind. Dante sieht die hellste aller Kreaturen – Luzifer – die, ausgestoßen, vom Himmel wie ein Blitz herniederstürzte und Arachne, die bereits als halbe Spinne im Netz hängt. Sie hatte sich damit gebrüstet, besser weben zu können als Pallas Athene und war zur Strafe in eine Spinne verwandelt worden – ein Bild für das lebendige Gedankenweben, das zum bloß intellektuellen (ahrimanischen) Spintisieren verkommen kann.

Ein Engel kommt, weiß gekleidet, mit weit gestreckter Arme Federndichte, und löscht mit einer Schwinge ein „P“ von Dantes Stirn. Indes sie nach oben steigen erklingen „Beati pauperes!“ – Gesänge („Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich“ Mt 5,3). Beim Aufstieg zu den anderen Simsen wird Dante weitere Seligpreisungen aus der Bergpredigt hören. Dante fühlt sich von der Erdenschwere so sehr befreit, dass ihm das Steigen nun ganz leichtfällt. Erstaunt betastet Dante seine Stirn und wendet sich zu Vergil, der schmunzelnd zusieht und ihn aufklärt, dass der gute Wille mit jedem gelöschten P immer stärker hervortrete und der Aufstieg immer leichter werde, je mehr sich der Mensch durch die Läuterung der himmlischen Höhe verwandt mache.

Dante und Vergil erreichen den zweiten Kreis, wo sich die Neidischen läutern müssen. Geister kommen von allen Seiten auf die beiden zugeflogen, und laden sie zum Liebesmahl. Dann naht eine weinende Bettlerschar im Bußgewand. Jeder ist an des Nachbarn Schulter gelehnt und alle pressen sich an das Felsgemäuer. Ihre Augenlieder sind mit Eisendrähten zugenäht. Sapia aus Siena bereut den Hass auf ihre Heimatstadt und beschreibt ihr Verhalten in der Schlacht von Colle di Valdelsa (1269). Guido del Duca beklagt gemeinsam mit Rinier de Calboli den moralischen und politischen Verfall der Toskana und der Romagna. Dante gibt über seine Herkunft aus Florenz nur sehr ausweichend und umständlich verschlüsselt Auskunft. Plötzlich ertönt eine schrille Geisterstimme und mit schrecklich surrender Stimme, die sich zum Donnerknallen steigert, hört man Aglauros, die Tochter des Athenerkönigs Kekrops, die nach der Erzählung des Ovid ihrer Schwester Herse die Liebe des Hermes neidete, der sie deswegen versteinerte.

Als Dante und Vergil zum dritten Kreis aufzusteigen beginnen, wo der Zorn besänftigt wird, blendet Dante die starke Helligkeit eines Engels, der das zweite „P“ von seiner Stirn löscht. Vergil versichert Dante, dass er später, nach vollzogener Läuterung, das helle Licht nicht nur leicht ertragen, sondern freudig begrüßen werde. Von unten erklingt das „Beati sunt misericordes!“ („Selig sind die Barmherzigen!“ Mt 5,7). Dante setzt sich und wird plötzlich von einem Traum fortgerissen, der ihm Bilder der Sanftmut zeigt. Er sieht, wie Maria den 12-jährigen Jesusknaben im Tempel wiederfindet und erlebt die Steinigung des Heiligen Stefan (Apg. 7, 55), der zum Herrn fleht, er möge seinen Peinigern vergeben. Es wird Abend. Dichter Rauch behindert die Sicht, lähmt den Atem und ätzt die Haut. Stimmen, die zum Gotteslamm um Frieden flehen, singen das „Agnus Dei“. Marco Lombardo, ein edler Venezianer, geübter Hofmann und Freund Dantes nähert sich und ist höchst erstaunt Dante hier in seiner vollen leiblichen Gestalt anzutreffen. Dann spricht er über den Einfluss der Sterne auf die menschliche Seele, wie aber doch die Entscheidung zwischen Gut und Böse allein im freien Willen des Menschen läge.

Ehe sie den vierten Kreis erreichen, wo die Trägheit überwunden werden muss, wird Dante wieder von der Helligkeit des Engels geblendet, der das dritte „P“ von seiner Stirne wischt, während zugleich „O selig, die den Frieden weitertragen!“ erklingt. Erschrocken bemerkt Dante, dass er zu lahmen, ja zu hinken beginnt und muss sich setzen. Vergil spricht nun über die natürliche und über die geistige Liebe und ihren Zusammenhang mit der freien Willenskraft und erklärt so den Aufbau des Läuterungsberges. Die natürliche Liebe kann nicht irren; die geistige kann durch den Gegenstand irren und führt dann im Verhältnis zum Nächsten zu Hochmut, Neid und Zorn (1. – 3. Kreis); die geistige Liebe kann aber auch durch das falsche Ausmaß irren und führt dann zu Trägheit, Geiz, Schlemmerei und Wollust (4. – 7. Kreis).

Schlaf beginnt Dante allmählich zu umfangen, aus dem er aber plötzlich durch rasendes Gedränge herausgerissen wird. Zwei Stimmen rufen wie aus qualgedrückten Lungen und geißeln die Trägheit durch Beispiele beherzter Tätigkeit. Schnell verschwinden die Schattengestalten wieder und Dante schließt schlaftrunken die Augen. Im Traum erscheint ihm die liebliche Sirene als die hässlichste aller Frauen. Sie lallt, schielt, hat krumme Beine, ist bleich und ihre die Arme tragen Krallenklauen - ein Sinnbild für die Laster des Geizes, der Schlemmerei und der Wollust, die auf den folgenden Kreisen des Läuterungsberges überwunden werden müssen. Eine gute Frau tritt an Dantes Seite. Sie steht für die die Klugheit, die den rechten Gebrauch der irdischen Güter lehrt. Entschlossen packt sie die Sirene und zerreißt ihre Kleider; der üble Dunst ihres Körpers bringt Dante zur Besinnung. Vergil drängt Dante weiter. Ein Engel mit offenen Flügeln empfängt sie. Er weist aufwärts und umfächelt Dante mit seinen Schwingen. Das vierte „P“ wird von Dantes Stirn gelöscht.

Bald erreichen die Wanderer den fünften Kreis, wo die Geizigen gefesselt mit dem Rücken nach oben am Boden liegen. Eine dieser Seelen ist Papst Hadrian IV., der 1276 nach seinem nur etwa einmonatigen Pontifikat gestorben war und beklagt, wie sein Drang zum Guten im Habsuchtstaumel untergegangen sei. Dante kniet sich zu ihm nieder und verflucht die Habsucht. Dann fragt er nach dem kommenden Veltro, der die Wölfin – das Sinnbild des Geizes und der Gier – vertreiben werde. Die Zahl des Veltro - DXV (515) – ertönt ähnlich wie schon im ersten Gesang des Infernos. Da erscheint Hugo Capet, der Begründer des Kapetinger-Geschlechts, das die Karolinger abgelöst hatte und beklagt die unersättliche Besitzgier seines eigenen Geschlechts. Insbesondere geißelt er den gegenwärtigen französischen König Philipp IV. den Schönen, der die Päpste ins Exil nach Avignon gezwungen hatte und 1307 aus seiner Begierde nach Gold den Untergang des Templerordens eingeleitet hatte.

Während Dante und Vergil weiterziehen, erschüttert ein schweres Erdbeben den ganzen Berg. Ein Schatten kommt auf sie zu und gibt sich als der römische Dichter Publius Papinius Statius (um 40-96) zu erkennen. Er erklärt, dass der Berg nur dann und im vollen Einklang mit der himmlischen Ordnung erbebe, wenn eine Seele zum weiteren Aufstieg reif geworden sei. Er selbst habe 500 Jahre in den unteren Bereichen ausgeharrt, um nun, und zwar aus eigenem freiem Willen, höherzusteigen. Dann erzählt er von seinen eigenen Dichtungen und wieviel er dem Vorbild Vergils zu danken habe. Dante hört ihm schmunzelnd zu und stellt im dann seinen Begleiter vor. Ehrfürchtig sinkt Statius sinkt zu Vergils Füßen und schließt sich dann den Jenseitswanderern an.

Ein Engel löscht das fünfte „P“ von Dantes Stirn und weist sie zum sechsten Kreis, wo die Schlemmer für ihre Gier büßen. Statius berichtet indessen, dass er nicht des Geizes wegen solange im unteren Kreis ausharren musste, sondern wegen seiner Verschwendungssucht. Diese beiden spiegelbildlichen Laster müssen im gleichen Kreis getilgt werden. Aus Mitgefühl mit den unter Domitian verfolgten Christen sei er schließlich selbst in aller Stille zum Christentum übergetreten. Dante folgt den beiden Dichtern, die weiter miteinander sprechen und lauscht ihren Worten. Schließlich kommen sie zum Baum des Lebens, der sich nach unten zu verjüngt, genau umgekehrt wie bei einer Fichte. Seine Früchte riechen lieblich. Von oben tränkt ein klarer Wasserfall den Baum, aus dem eine Stimme ertönt und davor warnt, von diesen Früchten zu essen. Ausgemergelte Gestalten mit bleichen Wangen und finsteren Augenhöhlen eilen vorüber. Einer der Schatten starrt Dante an. Es ist Forese Donati, ein florentinischer Dichter, hemmungsloser Schlemmer und Freund Dantes. Dante ist erstaunt, ihn schon hier zu finden, da er die Schlemmerei erst in seiner Todesstunde bereut hatte und demnach noch lange Zeit im Vorpurgatorium harren müsste, bevor ihm die eigentliche Läuterung ermöglicht würde. Das sei nur den Tränen und frommen Bitten seiner treuen Gattin Nella zu verdanken, gesteht Forese. Dann entfernt er sich eilig, da hier die Stunden teuer seien. Dante kommt mit Vergil und Statius zu einem Baum, der ein Ableger des Baums der Erkenntnis ist. Viele Seelen umlagern ihn, die vergeblich seine Früchte zu erlangen suchen. Eine warnende Stimme erklingt aus dem Apfelbaum und drängt sie zum Weitergehen. Schließlich kommen sie zum Wächterengel, dessen Erscheinung Dante blendet und das sechste „P“ von seiner Stirne löscht.

Während des Aufstieg in den siebenten Kreis, wo die Wollüstigen büßen, belehrt Statius nun Dante über die Entstehung des Leibes und der Seele und über das Wesen der jenseitigen Schattenleiber und warum diese auch hier noch Hunger und Durst fühlen. Es sei die Seele, die schon im Erdenleben den Leib forme, und diese Formkraft ginge auch nach dem Tode, wenn Lachesis den Lebensfaden versponnen hat, nicht verloren. Zwar sei hier der Leib nicht aus dichten Stoffen, sondern aus Luft gewoben und darum völlig durchsichtig, doch blieben die sinnlichen Begierden und Leidenschaften auch hier noch bis zu ihrer vollständigen Läuterung mit voller Kraft erhalten.

Sie erreichen schließlich den siebenten Kreis, wo sie sich wie üblich nach rechts wenden. Die Wollüstigen büßen hier im Feuer. Der Wind bläst nach oben, das Feuer schont so die Außenkante. Die Büßer singen den Hymnus „Clementiae Summae Deus“ („O Gott der höchsten Milde …“), in dem um die Befreiung von der bösen Lust gebeten wird. Dann erkling lautstark mit „Non cognosco virum“ die bekannten Worte Marias bei der Verkündigung (Lk 1,34): „Wie soll das zugehen, sintemal ich von keinem Manne weiß.“ Wieder staunen die Seelen über Dantes dichte körperliche Erscheinung. Guido Guinizelli, der Begründer des «Süßen Neuen Stils», spricht Dante diesbezüglich an. Von allen Seiten drängen sich zur Buße die Schatten verschiedenen oder gleichen Geschlechts eng zusammen, sich zu küssen, und huschen weiter, satt von diesem Gruß. Dann beginnen sie laut „Sodom und Gomorrha!“ zu schreien und verdammen alle Sünden der Wollust. Außerhalb der Flammen naht ein Engel mit den Worten „Beati mundo corde“ („Selig, die reinen Herzens sind.“ Mt 5,8) und fordert die Wanderer auf, die Feuerwand zu durchschreiten. Starr vor Schauer bleibt Dante stehen. Erst als ihm Vergil erzürnt klarmacht, dass nur der Weg durch die Flammen zu Beatrice führt, tritt Dante mit Statius und Vergil ein. Die Stimme des Engels ertönt aus dem hellen Licht: „O benedicti Patris mei, venite!“ („Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters.“ Mt 25,34).

Sie steigen durch die tiefe Felsenrinne gen Osten aufwärts und legen sich dann ermattet nieder. Über ihnen wölbt sich der Himmel mit den Sternen. Die Venus steht im Osten. Dante versinkt in Schlaf. Im Traum sieht er auf einer weiten Wiese ein schönes Weib beim Blumenpflücken. Es ist Lea, die Schwester der Rahel, die hier als Symbol des tätigen Lebens (vita activa) erscheint (Rahel steht für das beschauliche Leben, vita contemplativa). Mit wohligem Empfinden erwacht Dante und Vergil führt in die letzten Stufen hinauf und verabschiedet sich mit den Worten: „Zu deinem eignen Herrn darf ich dich krönen.“ - ganz allein sein eigener freier Wille muss von nun an Dante weiterführen.

Dante betritt nun den Wald des irdischen Paradieses und sieht jenseits des Lethestroms die blumenpflückende Matelda. Sie war, äußerlich gesehen, wahrscheinlich eine Freundin Beatrices, die Dante einst zu Beatrice führte. Matelda entspricht aber im tieferen Sinn der Göttin Natura, die in noch viel umfangreicherer Form von den großen Lehrern der Schule von Chartres und zuletzt noch von Dantes Lehrer Brunetto Latini im „Tesoretto“ besungen wurde, und ist eng verbunden mit den aus dem Weltenäther strömenden Lebenskräften und auch mit dem Lebensleib (Ätherleib) des Menschen, der der eigentliche Gedächtnis-Träger ist. Der Lethestrom löscht die Erinnerung an die Verfehlungen des Erdenlebens und macht das Bewusstsein frei für das reine geistige Erleben, das dann durch den Trunk aus der Eunoe, der anderen Seite der Lethe, geweckt wird. In der Göttin Natura lebte in christlich erneuerter Form der Persephone-Mythos fort. Der Lebensleib wurde von Rudolf Steiner auch als Liebeleib bezeichnet. Liebe ist nicht nur ein Gefühl, sondern eine lebendig-belebende lebensspendende Kraft. Matelda ist daher hier auch ein Symbol für die christliche Liebe. Matelda kommt näher, bis sie nur mehr der kaum drei Schritte breite Lethestrom trennt, den aber Dante jetzt noch nicht überschreiten kann. Matelda klärt Dante darüber auf, dass hier die Lüfte von der ersten Drehung des Himmels bewegt werden und wie die Bäume den Lüften ihre Samen mitgeben und so grünendes Leben dem Erdental spenden. Aus Gottes Willen entspringt eine Quelle, die zwei Arme speist, die den Paradieseswald umrunden. Auf dieser Seite fließt die Lethe, auf der anderen Eunoe.

Als sie am Rand des Baches flussaufwärts weiterschreiten, durchleuchten Lichter wie Blitze den Wald und süße Melodien erklingen. Es naht der allegorische Triumphzug der Kirche. Vornweg erscheinen sieben goldene Leuchter, vom hellen Hosianna-Ruf begleitet. Die sieben Leuchter entsprechen den sieben Geistern Gottes (Off 1,4, Off 3,1, Off 4,5 und Off 5,6) oder auch den sieben Gaben des Heiligen Geistes bzw. den sieben Freien Künsten (Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie). Die sieben Gaben des Heiligen Geistes sind aus katholischer Sicht: Weisheit, Einsicht, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit und Gottesfurcht. Flammen in sieben regenbogenfarbigen Streifen folgen in Zweierreihe vierundzwanzig Greise, bekrönt mit weißen Lilienkränzen. Es sind die 24 Ältesten aus der Offenbarung des Johannes und entsprechen zugleich auch den 24 Büchern des Alten Testaments. Die Lilienkränze sind ein Symbol der Reinheit und des Glaubens an den kommenden Erlöser. Es folgen die vier Evangelisten-Tiere (Stier, Löwe, Adler, Mensch) mit je sechs Flügeln, die Augen tragen. Zwischen den Tieren wir Wagen auf zwei Rädern von einem Greif gezogen, der den Körper eines fleischfarbenen Löwen und dem Kopf eines goldenen Adlers hat. Er ist ein Symbol für den Christus; der goldene Adlerteil repräsentiert seine göttliche, der fleischfarbene Löwenteil seine menschliche Natur. Vor dem rechten Rad tanzen drei Frauen; die erste rot, die zweite wie aus edelstem Smaragd, die dritte weiß wie der Neuschnee. Sie stehen für die christlichen Tugenden: Liebe, Hoffnung und Glaube. Auf der linken Seite tanzen vier Frauen in schönstem Purpurkleid. Es sind die vier Kardinaltugenden: Gerechtigkeit, Starkmut, Besonnenheit (Mäßigung) und Klugheit (sie hat drei Augen, mit denen sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überschaut). Ihnen folgen zwei Ergraute als Symbole für die Apostelgeschichte und für die Paulusbriefe, dann vier Demutsvolle, die auf die Briefe der Apostel Petrus, Johannes, Jakobus und Judas Thaddäus hinweisen und ein Greis für die Offenbarung des Johannes. Um ihr Haupt ist ein Kranz von roten Rosen wie auch anderen roten Blüten gewunden ist. Zusammen repräsentieren sie das Neue Testament. Die roten Rosen und die anderen roten Blüten stehen für die Liebe.

Als endlich das Gespann anhält, ertönt ein Donnerschlag. Das Nordgestirn, der kleine Bär mit seinen sieben Sternen, steht still. Eine Engelsstimme singt dreimal: „O steig vom Libanon zum Tale, du meine Braut!“ Die Seligen schlüpfen aus dem Schoß der Erde und singen: „Benedictus es, qui venis“ („Gelobet seist du, der du kommst.“). Dann streuen sie Lilien nach allen Seiten und singen dabei: „O manibus nunc date lilia plenis!“ („O spendet nun mit vollen Händen Lilien.“).

Mit weißem Schleier erscheint auf dem Wagen inmitten der Blumenwolke Beatrice, olivenzweigumschlungen; unter dem grünen Mantel ist ihr rotes Kleid erkennbar (das sind die Farben der drei christlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe). Ohne sie noch zu erkennen, ist Dante von ihrer Tugendkraft überwältigt und will sich wie üblich zu Vergil wenden. Betroffen bemerkt er erst jetzt, dass sein verehrter Meister entschwunden ist. Gebieterisch, mit strenger Stimme gibt sich Beatrice zu erkennen, legt aber den Schleier noch nicht ab. Sie zählt, zu den Seligen gewendet, schonungslos alle Vergehen Dantes auf. Betroffen versagt Dante die Stimme, nur ein schwaches „Ja“ entringt sich seiner Kehle. Ungeduldig setzt Beatrice ihre strenge Strafpredigt fort. Dante ist von Reue ergriffen. Matelda tritt zu ihm und taucht ihn bis zum Mund ins Wasser der Lethe. Die Seligen singen. Matelda drückt Dantes Kopf unters Wasser und er nimmt einen tiefen Schluck. Dann führt sie ihn in den Reigen der vier Schönen, der Kardinaltugenden, die ihn zum Wagen mit dem Greif geleiten. Der Greif, leuchtend als ob ein Spiegel Sonnenglut verschickt, verwandelt sich beständig – ein Urbild, welches kaum sich rührte, jedoch sein eignes Abbild ständig wechselt. Als die drei christlichen Tugenden Beatrice bitten, sie möge Dante den ersehnten heiligen Anblick gewähren, legt sie ihren Schleier ab.

Der Triumphzug setzt sich wieder in Bewegung; Dante folgt mit Statius dem Wagen Beatrices. Sie kommen zum entblätternden Baum der Erkenntnis, wo Beatrice vom Wagen steigt. Alle murmeln klagend „Adam“. Der Greif bindet die Deichsel des Wagens an den Stamm des Baums der Erkenntnis. Der Baum blüht auf, ringsum bedeckt mit lilafarbenen Sprossen. Dante versinkt in Schlaf. Erwachend erlebt er, wie einst die Apostel Jakobus, Petrus und Johannes, die Verklärung Christi. Matelda tritt zu ihm. Der Triumphzug mit dem Greifen hat sich mittlerweile zum Himmel erhoben. Da stößt mit rasender Bewegung ein Adler, der Vogel Jupiters und Symbol der römischen Kaiser, unter deren Herrschaft die Christenverfolgungen stattfanden, auf den Baum herab, knickt Blüten und Blätter und zernagt die Rinde. Mit aller Kraft reißt er am Wagen, der wie ein Schiff auf sturmbewegter See hin- und hergeworfen wird. Ein Fuchs, als Symbol für die Irrlehren, beschleicht den Wagen, begierig nach bester Speise um sich spähend, doch Beatrice verjagt ihn. Wieder stürzt der Adler auf den Wagen nieder und lässt gar viele Federn vom Gefieder.

Plötzlich scheint die Erde aufzubrechen und ein Drache dringt hervor, der mit seinem Stachelschwanz den Wagen durchsticht und zerbricht. Die Reste des heiligen Fahrzeugs werden von Unkraut überwuchert. Dann verwandelt sich der Wagen zu einem Ungeheuer mit sieben Köpfen (Off 17,1-18), drei vorn, wie Stierhörner, und vier, sich aus den Kanten reckend. Die sieben Hörner entsprechen hier den sieben Hauptlastern: Hochmut, Neid, Zorn, Trägheit, Geiz, Völlerei und Wollust. Darauf sitzt mit entblößten Brüsten eine ausgelassene Dirne, die mit einem Riesen buhlt. Nachdem sich beide heftig küssen, hebt er die Peitsche, schlägt sie und reißt den Wagen vom Baum los und verschwindet mit ihm im Wald.

Die sieben Tugenden, Matelda, Statius und Dante folgen Beatrice, die sich vom Baum der Erkenntnis entfernt und das Kommen des Veltro», des DXV (515), prophezeit, der die Erlösung bringen werde.

Die Gemeinschaft wandert weiter und erreicht schließlich Quelle der vier Paradiesesströme: Pischon, Gihon, Hiddekel (Tigris) und Perat (Euphrat). Matelda führt Dante und Statius zu Eunoe. Das Bad und der Trunk aus Eunoe (vermutlich abgeleitet von griech. εὐ, eu, „schön, gut“ und νοεῖν, noeín, „denken“, also „schön bzw. gut denken“ „das Geistige vernehmen“) erneuert Dantes Erinnerung an alle seine guten Taten. Es ist der „Gedächtnistrank“ der Eingeweihten. Damit ist Dante bereit und rein zum Aufstieg nach den Sternen.

Paradiso

Des Höchsten Herrlichkeit durchströmt nach Dantes Schilderung als Allbeweger das Universum in abgestufter Strahlendichte. Gehoben von den himmlischen Liebesströmen befindet sich Dante jetzt im Himmel, der vom stärksten Licht erfüllt ist. Er bekennt, wie schwer es ist, davon zu singen und ruft Apollo um Hilfe an.

Gemeinsam mit Beatrice erhebt sich Dante von der Spitze des Läuterungsberges in die Mondsphäre. Dante ist verwundert, wie mühelos ihm mit seinem schwerebehafteten Körper der Aufstieg in diese leichte, schwerelose ätherische Sphäre gelingt. Hier seien alle Dinge nach göttlichem Ratschluss zueinander geordnet, erklärt ihm Beatrice, und jedes fände dadurch genau den Platz, der seinem Wesen entspräche. Eine Kraft lenke darum mondwärts alle Flammen, die andre klopfe im Herz der Lebewesen, die dritte halte den Erdenbau zusammen. Mit Vorsehung werde alles von der jenseits der Fixsterne gelegenen höchsten und schnellsten Himmelssphäre (dem Primum Mobile oder Kristallhimmel bzw. der „Feste“ (firmamentum) der Genesis, 1 Mos 1,6-8) angetrieben, die ihr Licht von der unbewegten, jenseits von Raum und Zeit ewig in sich ruhenden Helligkeit der Wohnstatt Gottes (dem Empyreum) empfange. Je weiter sich jedoch etwas von dieser göttlichen Quelle entferne, umso weniger empfange es von diesem überhimmlischen Licht und es erscheine dann oft nur verzerrt, wie ein Werk, das der Absicht des Künstlers nicht mehr voll entspreche.

Dante fragt nun nach der Ursache der Mondflecken, die nach allgemeiner Meinung auf unterschiedliche Körperdichte zurückgeführt würden. Das sei falsch, belehrt ihn Beatrice und erklärt, dass die Mondflecken nicht durch materielle Eigenschaften des Mondes bedingt seien, sondern durch die verschiedenen ätherischen Formkräfte der geistigen Wesenheiten entstehen, die mit den stufenweise übereinander gereihten Planetensphären verbunden sind und dadurch das Bild Gottes, das sie von diesem empfangen haben, als Abbild schrittweise - da stärker, dort schwächer - in den unteren Sphären verwirklichen.

In der Mondsphäre sieht Dante verwundert die Seelen als bloße Spiegelbilder, wie Gesichter, die sich im Wasser spiegeln, was Dante mit der Täuschung des Narziss vergleicht, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte. Dennoch seien es reale Seelen, klärt ihn Beatrice schmunzelnd auf, die nur deshalb so erschienen, weil sie ihr Gelübde nicht erfüllt hätten. Eine dieser Seelen ist die Nonne Piccarda Donati, die Schwester von Forese und Corso Donati (Purg. 23,24), die von Corso aus dem Kloster geraubt und mit dem florentinischen Adeligen Rossellino della Tosa zwangsverheiratet worden war. Ähnlich war es Kaiserin Konstanze (1153-1198) ergangen, die Piccarda begleitet. Weil aber ihre Willenskraft nicht stark genug gewesen sei, ins Kloster zurückzukehren, nachdem der Zwang nachgelassen habe, hätten sie dennoch ihr Gelübde gebrochen, erläutert Beatrice und nennt das Beispiel großer Märtyrer, die auch in der größten Folter ihrem Bund mit Gott treu geblieben wären. Doch seien Piccarda und Konstanze, obwohl sie vielleicht den Atem Gottes schwächer empfänden, nicht weiter von ihm entfernt als andere himmlische Geister, denn nicht in den Planetensphären sei ihre wahre Wohnung, sondern alle lebten jenseits der räumlichen und zeitlichen Welt in unmittelbarer Gottesnähe (im Empyreum) und hier erscheine nur ihr Bild. Das herrlichste Geschenk, das Gott dem Menschen gegeben und ihm allein vorbehalten habe, sei die Willensfreiheit. Das aus freiem Willen geleistete Gelübde wiege darum schwer und können nicht durch anderes Gutes ersetzt werden, denn auf unser Ja-Wort schenke uns Gott das seine.

Dante und Beatrice steigen zur Merkursphäre auf, wo ihnen singend tausend Lichter zu nahen scheinen. Beatrice belehrt nun Dante über die Erlösung. Da Adam versäumt hatte, seine Willenskraft vor Gott zu beugen, ging ihm und seinem Stamm, d.h. der ganzen Menschheit, das Heil verloren. Daher war auch der Kreuzestod Christi, was seine menschliche Natur betrifft, höchst gerecht und notwendig. Im Hinblick auf seine göttliche Natur war sie jedoch ein Verbrechen - und zugleich das unvergleichliche Gnadenopfer Gottes, das verhindert, dass der Mensch unausweichlich der Hölle verfällt. Durch die Auferstehung Christi könne der Mensch in einem solchen Leib zum Himmel steigen, wie ihn auch das erste Menschenpaar vor dem Sündenfall empfangen habe.

Dante und Beatrice steigen nun weiter auf in die Venussphäre, in das Reich der Liebe. Mit hellen Hosianna-Rufen erscheinen Lichter, die sich langsam oder schnell im Kreise drehen. Dante sieht hier seinen Jugendfreund Karl Martell von Anjou (1271-1295) und Cunizza da Romano, die in Florenz lebte und für ihre Liebschaften, aber auch für ihre Güte bekannt war und so den Weg zur tätigen christlichen Liebe fand. Der provenzalische Minnesänger Folco von Marseille (um 1150-1231) erzählt, dass auch die Dirne Rahab hier zu finden sei, da sie bei der Belagerung und Zerstörung Jerichos durch die Israeliten zwei von Josua gesandte Kundschafter in ihrem Haus versteckt und dadurch gerettet hatte (vgl. Jos 2).

In der Sonnensphäre, wo sie ein strahlender Lichterkranz und schlichter heller Gesang empfängt, treffen Dante und Beatrice auf Thomas von Aquin (um 1225-1274) und dessen Lehrer Albertus Magnus (um 1200-1280), mit denen die auf Aristoteles aufbauende Scholastik ihre Blüte entfaltete. Die Lichter halten indessen in ihrem Kreisen inne und erscheinen nun wie Kerzen auf einem Kronleuchter. Dann beginnt sich der Lichterreigen wieder zu drehen und wird von einem zweiten Lichterkranz umschlossen, dem der Franziskaner Bonaventura (1221-1274) entsteigt, der zahlreiche theologische und philosophische Schriften verfasst hatte und als Platoniker unter den Scholastikern galt.

Dante vergleicht die zwei gegenläufigen Lichterkränze mit 24 Sternen des Himmels, nämlich mit den nach Ptolemäus 15 hellsten Sternen, den 7 Sternen des Großen Wagens und den 2 Sternen vom Horn, d.h. von der Deichsel, des kleinen Wagens, von denen der eine der Polarstern ist, um den sich das ganze Himmelsgewölbe dreht (24 = 15 + 7 + 2). Dann beginnt wieder Thomas von Aquino zu sprechen und belehrt Dante über Adam und Christus und – mit Hinblick König Salomo - über das stufenweise Herabsteigen der Weisheit im Zuge der Schöpfung.

Beatrice fühlt, dass für Dante noch Fragen offengeblieben sind. Auf ihre Bitte spricht Salomo über die Auferstehung und Verklärung des Leibes. So wie die Kohle in der Glut noch sichtbar bleibe, so werde auch die menschliche Gestalt im verklärten himmlischen Licht bewahrt.

Ein dritter Lichterkranz erscheint und Beatrice erhebt sich mit Dante in die rötlich leuchtende Marssphäre. Geblendet erschaut Dante ein strahlendes Kreuz, das von den leuchtenden Seelen der Märtyrer gebildet wird. Aus ihrer Schar tritt Dantes Urahne Cacciaguida (1147-1149) hervor, der im zweiten Kreuzzug (1147-1149) gefallen war. Er sagt Dantes künftiges Schicksal voraus, seine Verbannung und Einsamkeit, und bestärkt ihn, ganz auf sich gestellt seiner politisch-poetischen Aufgabe weiter mit aller Kraft zu folgen: „Dein Rufen soll so wirken wie die Winde, die rüttelnd um die höchsten Spitzen toben.“

Dann steigen Dante und Beatrice in den sechsten Kreis auf, in die von ungetrübtem weißen Silberlicht erfüllte und von Liebe funkelnde Jupitersphäre. Wie Vögel eilen Geschwader seliger Geister heran und formen die Gestalt eines Adlers, der zu Dante von der Gerechtigkeit und Gnade Gottes spricht. So soll es dem gerechten Kaiser Trajan durch die Gebete Papst Gregors des Großen und durch die Gnade Gottes ermöglicht worden sein, zu einer neuerlichen irdischen Inkarnation herabzusteigen, in der er als getaufter Christ sterben durfte. Und Ripheus, nach Vergils «Äneis» (II, 532–3) der Gerechteste unter den Verteidigern Trojas, habe so tief und mit unendlicher Liebe das Licht von Gottes Gerechtigkeit in sich aufgenommen und selbst noch in der Schattenwelt der Vorhölle empfunden, dass ihn die drei christlichen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung in die Himmelswelt führen konnten.

Dante und Beatrice steigen auf zum siebenten Kreis, in die Saturnsphäre. Der Saturn steht gerade im Zeichen des Löwen. Dante schaut die goldene Himmelsleiter, auf der die beschaulichen Seelen auf- und niedersteigen. Das Licht erscheint gedämpft, die Himmelschöre sind verstummt – aus Rücksicht auf Dantes sterbliches Wesen, das die Helle und den Klang nicht ertragen könne, wie ihn Pietro Damiano (1007-1072) belehrt, der einstmals ein bedeutender Theologe und Kardinalbischof von Ostia gewesen war und sich besonders um die Hebung der Klosterzucht bemühte hatte. Selbst Beatrices Mine zeigt hier kein Lächeln mehr, weil dieses Dante zu Asche werden ließe.

Das Licht beginnt sich um seine eigene Mitte zu drehen. Dante sieht hundert Kugel leuchten, die sich gegenseitig ihren Lichtglanz schenken. Die größte dieser Himmelsperlen tritt hervor: Benedikt von Nursia (480-543), der Begründer des Benediktinerordens, der den Apollotempel auf dem Monte Cassino zerstört und dort das damals größte abendländische Kloster aufgebaute hatte, beklagt den Verfall seines Ordens. Dante fragt, ob ihm die große Gnade zuteil würde, Benedikts Antlitz unverhüllt zu schauen. Dieser hohe Wunsch, antwortet Benedikt, werde ihm in der höchsten Sphäre, dem wahren Sitz der Seligen, erfüllt, in der auch jede andere Sehnsucht gestillt wird.

Beatrice geleitet Dante Sprosse für Sprosse rasch die Himmelsleiter hoch hinauf bis in den Fixsternhimmel hin zum Sternbild der Zwillinge, dem Geburtszeichen Dantes, von wo er auf die Planetenwelt zurückblickt. Die Erde erscheint von hier nur mehr winzig klein, wie eingeschrumpft. Dantes Blick ist nun so gestärkt, dass er Beatrices Augen zu schauen vermag.

Die Scharen von Christi Siegeszug offenbaren sich in diesem Sphärenkreis jenseits der Planetenwelt. Wie eine Fackel kommt der Erzengel Gabriel herabgeschossen, formt sich zum Ring und wird zur Himmelskrone, die die Himmelskönigin umkreist. Alle Lichter singen gemeinsam den Marienhymnus „Regina coeli“.

Aus den leuchtenden Kugeln der Heiligen, die wie flammende Kometen kreisen, löst sich das hellste Licht – Petrus - heraus, umfliegt dreimal Beatrice und wendet sich dann zu Dante, um ihn auf Beatrices Bitte über das Wesen des Glaubens zu befragen. Dante gibt erschöpfend Antwort und spricht sein aus tiefstem Herzen empfundenes Glaubensbekenntnis, das von Petrus voll und ganz anerkannt wird. Daraufhin wird Dante dreimal von dem Licht des Heiligen Petrus umkreist.

Ein anderes Feuer aus dem Kreis um Petrus erscheint. Es ist Jakobus, der Dante über die Hoffnung befragt. Auch hier kann Dante befriedigende Antwort geben.

Zuletzt erscheint das Licht des Johannes, von dem Dante so geblendet ist, dass er erblindet. Johannes, der Lieblingsjünger Christi, befragt nun Dante nach dem Wesen der Liebe. Als Dante auch diese Prüfung besteht, singen die Heiligen und Beatrice: „Heilig, heilig, heilig!“ und Dante gewinnt sein Augenlicht wieder.

Adam naht und spricht über das Paradies, das er nur sieben Stunden lang erleben konnte, und über den Sündenfall, durch den er 4300 Jahre voller Sehnsucht nach dem Himmelslicht in der Vorhölle eingeschlossen gewesen sei. Dann berichtet er auch von der durch Nimrods ehrgeizigen Turmbau ausgelösten Sprachverwirrung.

Durch den Verfall des Papsttums verdüstert sich das Licht rötlich und Petrus hält mit donnernder Stimme seine Strafrede. Danach steigt Dante mit Beatrice zum Kristallhimmel, dem Primum Mobile, auf. Hier endet, vom Licht und der Liebe Gottes umfangen, die räumliche und zeitliche Welt. Als hell leuchtender Punkt spiegelt sich die Gottheit in Beatrices Augen. Sie belehrt Dante über die Beziehung der Engelswelt zur Körperwelt und über die in neun Kreisen geordneten Engelshierarchien und spricht auch über ihre Erschaffung und ihren Sündenfall. Aus allen Kreisen sprühen Funken und von Chor zu Chor erklingt Hosiannasingen bis hin zum innersten Punkt, welcher sie in ewigem Schwingen auf ihrer Bahn hält.

Schließlich erreichen Dante und Beatrice das Empyreum jenseits von Zeit und Raum und Dante wendet seinen Blick der grenzenlosen Schönheit Beatrices zu. Dann schaut er die weiße Himmelsrose, die durch die Rückstrahlung des göttlichen Lichtes vom Kristallhimmel gebildet wird. Hier haben die Seligen ihren höchsten Sitz. Beatrice lenkt Dantes Blick auf einen freien Platz im gelben Inneren der Rose. Hier werde schon bald Kaiser Heinrich VII. (1278-1313) sitzen, auf den Dante große Hoffnungen bezüglich der Rettung Italiens und auch für die Aufhebung seiner Verbannung gesetzt hatte. Papst Clemens V. werde jedoch der Hölle verfallen.

Auch Beatrice nimmt nun ihren Platz in der Himmelsrose ein und ein Greis naht, um Dante über die Einteilung der Himmelsrose zu belehren. Es ist der bedeutende christliche Mystiker Bernhard von Clairvaux (1091-1153), der für den zweiten Kreuzzug gepredigt hatte und eine wesentliche Rolle in der kirchlichen und weltlichen Diplomatie spielte. Maria überstrahlt indessen wie die Morgenröte im Osten den ganzen Himmel und Bernhard richtet sein Gebet an sie und fordert Dante auf, es ihm gleich zu tun.

Immer tiefer dringt Dantes Blick in das Licht. In drei verschiedenfarbigen Kreisen gleicher Rundung und Größe erscheint ihm die Trinität. Zwei Kreise strahlen spiegelnd wie zwei Regenbogen, der dritte ist ein Feuerring, und wie gemalt durch sein Augenpaar erscheint ihm ein Menschenantlitz. Wie vom Blitz getroffen ist sein Geist und der Phantasie bricht jede Spitze, doch Dantes Wunsch und Wille fühlt sich beflügelt durch die Liebe, die auch bewegt die Sonne, den Mond und alle Sterne.