Sprachgestaltung

Aus Odysseetheater
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Sprachgestaltung und Schauspiel
für Künstler und Pädagogen
jeden Montag von 18 - 20h
(außer in den Ferienzeiten)

Aubachstraße 4, 2380 Perchtoldsdorf
Keine Vorkenntnisse erforderlich. Einstieg jederzeit möglich!
Rudolf Steiner (1861-1925)
Karl Rössel-Majdan (1916-2000)
Michail A. Cechov (1891-1955)
Zeichnung von Jurij A. Zavadskij 1920
Wolfgang Peter (* 1957)
Foto: Francois Hagdorn (2022)

Sprache bildhaft gestaltend erleben als Basis für einen authentischen, lebendigen Vortrag, einen Interesse weckenden Unterricht in allen Fächern und eine überzeugende künstlerische Darstellung.

Sprache ist das wichtigste Kommunikationsmittel nicht nur im Unterricht, sondern im Leben überhaupt. Entscheidend für den Kommunikationserfolg ist nicht nur was man sagt, sondern mehr noch wie man es sagt. Nur wenn man das, was man an inneren Einsichten errungen und mit Begeisterung empfunden hat, mit den Zuhörer, mit dem Schüler teilen kann, erreicht man ihn wirklich. Dazu bedarf es einer intensiveren, bewusster gestalteten, durch den Atem getragenen, prägnanten Sprache. Die durchschnittliche Alltagsprache gleitet am Hörer weitgehend ab. Wesentlich ist dabei nicht nur die Lautsprache als solche, sondern vor allem auch die Körpersprache, die sich durch Gestik, Haltung, Mimik, Blickführung usw. äußert, aber meist weitgehend unbewusst ausgeführt wird. In den Kursen für Sprachgestaltung lernt man, jeden einzelnen Laut, jeden Sprachrhythmus und jede Körperbewegung bewusst mitzuerleben und künstlerisch zu gestalten, eigene Hemmungen zu überwinden und so durch intensive Übung eine bessere Ausdrucksfähigkeit zu erlangen, die niemals „gemacht“ wirkt, sondern vollkommen natürlich und authentisch ist und den Zuhörer unmittelbar erreicht.

Den Anregungen Rudolf Steiners folgend führt der von Karl Rössel-Majdan weiterentwickelte systematische Ausbildungsgang von grundlegenden Lautübungen über Rezitation, Deklamation und Rhetorik zu einem tieferen und bewussteren Erleben des Sprachwesens. Übungen zur Gestik und Mimik, Temperamentsübungen, die Arbeit an einzelnen Rollentypen, Improvisationen und szenische Darstellungen regen die künstlerische Phantasie, den individuellen schöpferischen Willen und ein konkret gestaltendes lebendiges Denken an. So reift allmählich ein beseeltes, inspiriertes  Bühnenspiel heran, das den geistigen Gehalt eines Schauspiels authentisch im unmittelbaren Erleben offenbaren kann. Zugleich schulen die Übungen die praktische Menschenkenntnis und fördern eine tiefergehende heilsame Selbsterkenntnis als Basis für eine lebenslange kreative individuelle Persönlichkeitsentwicklung.

Die viersemestrige Ausbildung umfasst:

  1. Phonetik (Vokale, Konsonanten) und Atemübungen
  2. Rezitation und Deklamation (die Ausdrucksfähigkeit der Sprache wird an epischen und lyrischen Dichtungen geschult)
  3. Gestik, Mimik und Rhetorik
  4. Bewegung im Bühnenraum, Temperamentsübungen, Rollentypen, Improvisation, szenische Darstellung

Es liegt im Wesen der von Rudolf Steiner inaugurierten und von Karl Rössel-Majdan und Michail Cechov weiterentwickelte Methode, die Texte und Dramen nicht bloß intellektuell, sondern mit solch echt künstlerischem Sinn zu ergreifen, wie sie geschaffen wurden. Sie sollen aus dem unmittelbaren Erleben der nicht bloß leise gelesenen, sondern der selbst laut gesprochenen und gestalteten Sprache erfasst werden, aus der Seelenstimmung der Vokale, aus der charakterbildenden Formkraft der Konsonanten und dem wechselnden Rhythmus der Verse. Darin wurzelt die seelische Atmosphäre in der sich die geistige Tiefe der Dramen noch viel weitergehend offenbart, als in dem bloß intellektuell erfassten Handlungsablauf - „Das Was bedenke, mehr bedenke Wie“, um mit Goethe zu sprechen. Gelingt es, den Klang, die Formkraft und den Rhythmus der Sprache in bewegte farbenreiche Bilder zu verwandeln, so entsteht ein Schauspiel, das im unmittelbaren Hören und Schauen verstanden werden kann. Das Übersinnliche, also das, was geistig dem Stück zugrunde liegt und seelisch die handelnden Charaktere bewegt, offenbart sich augenblicklich und ohne weiteres Nachdenken als sinnlich erlebbares Phänomen im Klang der Sprache und der Bühnenmusik und in den bewegten Farben und Formen des Bühnengeschehens, in der Bühnenarchitektur, der Dekoration, in den Kostümen und Lichtstimmungen. In der Kunst muss sich der Sinn den Sinnen eröffnen  - das ist der Kern der goetheanistischen Methode.

„Das «Wort» ist nach zwei Richtungen der Gefahr ausgesetzt, die aus der Entwickelung der Bewußtseinsseele kommen kann. Es dient der Verständigung im sozialen Leben, und es dient der Mitteilung des logisch-intellektuell Erkannten. Nach beiden Seiten hin verliert das «Wort» seine Eigengeltung. Es muß sich dem «Sinn» anpassen, den es ausdrücken soll. Es muß vergessen lassen, wie im Ton, im Laut, und in der Lautgestaltung selbst eine Wirklichkeit liegt. Die Schönheit, das Leuchtende des Vokals, das Charakteristische des Konsonanten verliert sich aus der Sprache. Der Vokal wird seelen-, der Konsonant geistlos. Und so tritt die Sprache aus der Sphäre ganz heraus, aus der sie stammt, aus der Sphäre des Geistigen. Sie wird Dienerin des intellektuell-erkenntnismäßigen, und des geist-fliehenden sozialen Lebens. Sie wird aus dem Gebiet der Kunst ganz herausgerissen.

Wahre Geistanschauung fällt ganz wie instinktiv in das «Erleben des Wortes». Sie lernt auf das seelengetragene Ertönen des Vokals und das geistdurchkraftete Malen des Konsonanten hin-empfinden. Sie bekommt Verständnis für das Geheimnis der Sprach-Entwickelung. Dieses Geheimnis besteht darin, daß einst durch das Wort göttlich-geistige Wesen zu der Menschenseele haben sprechen können, während jetzt dieses Wort nur der Verständigung in der physischen Welt dient.

Man braucht einen an dieser Geisteinsicht entzündeten Enthusiasmus, um das Wort wieder in seine Sphäre zurückzuführen.“ (Lit.:GA 28, S. 438f)

Vorbildlich ist für uns die Art, wie Rudolf Steiner mit den Schauspielern seine Mysteriendramen einstudiert hat. Die Texte hat Steiner meist erst unmittelbar in der Nacht vor der jeweiligen Probe niedergeschrieben. „Es wäre ja Unsinn“ meinte er, „ein Drama zu schreiben, bevor es sich um eine Aufführung handelt“ und er hat mit den Schauspielern so geprobt, dass er ihnen zuerst die Texte lebendig vorgesprochen hat und sie dann so lange proben ließ, bis er mit dem Ergebnis zufrieden sein konnte, doch hat er sie nie korrigiert oder weitläufige Kommentare zum Stück selbst gegeben; die Sprache selbst sollte in den Darstellern lebendig werden und im gemeinsamen Tun ihren geistigen Gehalt offenbaren. Nichts ging hier aus dem Intellekt, sondern alles aus dem weisheitsvollen schöpferischen Willen hervor. Das Schöne, so war Steiner überzeugt, ist nicht das Erscheinen der Idee im Sinnlichen, sondern die wahre Kunst besteht darin, dass das Sinnliche, verwandelt durch die schöpferische künstlerische Phantasie, selbst bereits als ein Geistiges erscheint. Dadurch wird das Sinnliche erhöht, veredelt, und zugleich das Geistige um eine neue Dimension des Menschlichen bereichert.