Der Zerrissene

Aus Odysseetheater
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Der Zerrissene
Posse mit Gesang in drei Akten
Johann Nestroy
Musik von Adolf Müller
2016, 2025

Johann Nestroy (1842)
PERSONEN
Herr von Lips, ein Kapitalist Peter Palmisano
Stifler Peter Ponta
Sporner           seine Freunde Wolfgang Peter
Wixer Florian Dubois
Madame Schleyer Rosemarie Guttmann
(Christine Kowol)
Gluthammer, ein Schlosser Walter Vogl
Krautkopf, Pächter auf einer Besitzung des Herrn von Lips Sebastian Josef Unger
Kathi, seine Anverwandte Margherita Ehart
Staubmann, Justitiarius Johann Potakowsky
Anton und Josef, Bediente bei Herrn von Lips Rosemarie Guttmann
Erster, zweiter und dritter Knecht bei Krautkopf Wolfgang Peter
Rosemarie Guttmann
Gäste, Bediente, Landleute
Die Handlung geht im ersten Akt auf dem Landhause des Herrn von Lips vor. Der zweite und dritte Akt spielt auf Krautkopfs Pachthofe um acht Tage später.
Regie: Wolfgang Peter

Inhalt

1. Akt

Im Landhaus des reichen Herrn von Lips wird ein großes Fest gefeiert. Der Schlosser Gluthammer, der noch rasch ein Balkongeländer montieren sollte, hat sich verspätet und kann das Geländer nur provisorisch aufstellen, um die ausgelassene Gesellschaft nicht durch sein Hämmern zu stören. In diesem Moment erscheint Kathi, die ihrem Paten Herrn von Lips die 100 Gulden zurückzahlen will, die sie von ihm für die Pflege ihrer Mutter geliehen hatte. Lips hatte zwar lachend auf eine Rückzahlung verzichtet, doch musste Kathi ihrer Mutter noch auf dem Totenbett versprechen, die Schuld so schnell als möglich zu begleichen. Nun erzählt auch Gluthammer seine Lebensgeschichte. Vor zwei Jahren habe er eine Frau namens Mathilde kennengelernt und sich unsterblich in sie verliebt. Er finanzierte ihr eine Putzmacherinnen-Lehre und kaufte ihr auf Schulden ein eigenes Geschäft. Doch am Tag vor der Hochzeit sei Mathilde plötzlich spurlos verschwunden. Gluthammer ist fest überzeugt, dass sie entführt wurde. Um die Schulden zurückzuzahlen, verkaufte Gluthammer seine Schlosserei und übernahm selbst den Putzmacher-Laden, war aber als Marchandmode (Putzmacher) nicht erfolgreich. Um seinen Gläubigern zu entgehen, sei er als Schlossergeselle aufs Land gegangen.

Herr von Lips hat trotz oder gerade oder wegen seines Reichtums keine Freude am Leben. Doch auf seinen Reichtum verzichten und in Armut leben will er auch nicht. So fühlt er sich innerlich als Zerrissener. Sein Vermögen ist in Immobilien bestens abgesichert, Angehörige, die er verlieren könnte, hat er nicht. Wünsche, die er sich nicht durch sein Geld leicht erfüllen könnte, gibt es nicht. Nicht einmal Liebesabenteuer habe er zu bestehen, da ihm ob seines Reichtums ohnehin jede Tür bereitwillig geöffnet werde. Über einen Mangel an Freunden, die bloß an seinem Reichtum partizipieren wollen, hat sich Lips freilich nicht zu beklagen. Nur Stifler, Sporner und Wixer hält er für echte Freunde. Sie geben ihm gute Ratschläge, wie er sein Leben aufregender gestalten könnte, etwa durch Reisen, Pferdeliebhaberei oder irgendwelche Narrenstreiche. Aber alles langweilt ihn, für Pferde habe er keinen besonderen Sinn, keine Reise könne ihm Neues bieten, da die Natur doch überall gleich sei und Narren gäbe es ohnehin genug. Da rät ihm Stifler zu heiraten – und als Lips schon abwinken will, setzt er hinzu: „Triff dabei eine originelle Wahl!“ Das bringt Lips auf den verrückten Einfall, ohne jede bewusste Wahl die nächstbeste Frau zu heiraten, die ihm begegnet.

Just in diesem Moment wird die verwitwete Madame Schleyer gemeldet, die nach dem Tod ihres Mannes in finanziellen Schwierigkeiten steckt und von Lips eine Spende für ihren Wohltätigkeitsball – zu eigenen Gunsten – erbitten will. Lips durchschaut sie sofort, gibt ihr aber dennoch bereitwillig 100 Gulden und macht ihr obendrein einen Heiratsantrag. Die verblüffte Madame Schleyer erbittet sich eine Viertelstunde Bedenkzeit, die ihr Lips auch gewährt. Da tritt Kathi ein, die ihre Schulden begleichen will. Lips hat jetzt keinen Kopf für sie und verlässt das Zimmer. Kathi, die mitbekommen hat, dass Lips heiraten will, wird nun Zeugin eines Gesprächs zwischen Stifler und Madame Schleyer, der nicht wenig überrascht in ihr seine ehemals plötzlich verschwundene Freundin Mathilde Flinck wiedererkennt. Sie berichtet von den Hochzeitsplänen und weil sie sich diesen „Goldfisch“ nicht entgehen lassen will, bittet sie Stifler um strengstes Stillschweigen, was dieser gerne gewährt und rasch mit Mathilde in den Garten eilt, um auch ihre anderen ehemaligen Liebhaber – Sporner und Wixer – diesbezüglich zu instruieren.

Erschüttert und besorgt um ihren Paten bleibt Kathi zurück. Da stürmt Gluthammer herein. Er hat in Mathilde seine ehemalige Geliebte wiedererkannt und ist nun fest überzeugt, dass sie von Lips entführt und gewaltsam festgehalten wurde. Um Lips vor Gluthammers Wut zu schützen gibt Kathi vor, er sei in den Garten gegangen. Gluthammer stürmt davon und Kathi geht ab, um Lips zu warnen.

Lips ist indessen eingeschlafen und wird unsanft von Mathilde geweckt, die nun auf eine möglichst rasche Hochzeit drängt, die schließlich schon für den nächsten Tag vereinbart wird. Gluthammer, der vom Garten zurückgekehrt ist, wird Zeuge des Gesprächs und stürzt sich, erschüttert von Mathildes Untreue, wutentbrannt auf Lips. Der ist über Mathildes „schmutziges Verhältnis“ höchst amüsiert und freut sich als ehemaliger Boxer auf eine tüchtige Prügelei mit Gluthammer. Im wilden Handgemenge fallen sie gegen das unbefestigte Balkongeländer und stürzen vor den Augen der ganzen Festgesellschaft in den See, in dem sie sofort versinken. Beide werden für tot gehalten.

In der allgemeinen Aufregung bemerkt niemand den triefnassen Lips, der rasch davoneilt, weil er fürchtet, als Gluthammers Mörder verhaftet zu werden.

2. Akt

Kathi ist indessen zu ihrem Vetter Krautkopf zurückgekehrt, der Pächter eines von Lips Landgütern ist. Kathi ist über den vermeintlichen Tod ihres Paten tief betrübt, als sie plötzlich dessen Stimme vernimmt. Kathi fällt ein Stein vom Herzen, als sie den als Bauer verkleideten Lips erkennt. Er bittet Kathi um Hilfe. Geld habe er auf seiner Flucht nicht mitnehmen können und noch sei es viel zu gefährlich, seine Freunde darum zu bitten. Auf Kathis Bitte nimmt Krautkopf ihn als Knecht auf, obwohl er – zurecht – an dessen landwirtschaftlichen Fähigkeiten zweifelt.

Auch Gluthammer hat den Sturz ins Wasser überlebt. Von der panischen Angst getrieben, als Mörder von Lips verhaftet zu werden, hat er sich zu seinem alten Freund Krautkopf geflüchtet, der ihm nur widerwillig Unterschlupf in der Backstube gewährt.

Rührend kümmert sich indessen Kathi um Lips, der mit seiner Rolle als Knecht mehr schlecht als recht zurande kommt. Kathi fasst eine immer tiefere Zuneigung zu ihm.

Als Stifler, Sporner und Wixer in Begleitung des Justitiarius als Lips Erben das Landgut besichtigen, muss Lips erkennen, wie sehr er sich in seinen „Freunden“ getäuscht hat. Während diese über die Aufteilung des Erbes streiten, fügt Lips dem auf dem Tisch liegenden Testament unbemerkt auf der Rückseite einen Passus hinzu, der alle früheren Verfügungen für nichtig erklärt und Kathi zur Universalerbin macht.

Krautkopf hat indessen Gluthammer im Kellergewölbe unter dem Getreidespeicher versteckt, damit er bei der Besichtigung nicht entdeckt wird.

Als der Jusitiarius das Testament verliest und dabei auch den früher offenbar übersehenen „allerletzten Willen“ verkündet, erstarren die Freunde vor Schreck und auch Krautkopf ist verblüfft.

3. Akt

Als sich alle wieder gefasst haben, beginnen sie Kathi, die Krautkopf rasch hereingerufen hat, wortreich Avancen zu machen. Auch Krautkopf selbst bekundet plötzlich heftige Zuneigung zu Kathi. Als Kathi von ihrem plötzlichen Reichtum erfährt, will sie sofort zu Lips eilen, was die versammelten Herren natürlich sofort eifersüchtig macht. Um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, beginnt sie schlecht über den „neuen Knecht“ zu reden und macht Krautkopf leise Hoffnung, der Erwählte zu sein, um sich der anderen Brautwerber zu entledigen. Am nächsten Tag werde sie ihre Wahl verkünden.

Lips, der die ganze Szene im Hintergrund beobachtet hat, ist von Kathi enttäuscht und zieht sich in den Getreidespeicher zurück. Dorthin flüchtet sich auch Kathi und kann Lips davon überzeugen, dass sie keinen der besagten Herren und auch keinen jungen Burschen heiraten werde. Ihre ganze Erbschaft wolle sie vielmehr in ein großes Kuvert stecken und Lips ins Ausland nachsenden, damit er dort ein ruhiges und sicheres Leben führen könne. Die Liebe, die sie zu ihm gefasst hat, wagt sie noch nicht auszusprechen. Auch Lips ist von tiefen Gefühlen bewegt. In diesem Moment stürzen Stifler, Sporner und Wixer in Begleitung des Justitiarius herein, um sich an ihrem Nebenbuhler, dem vermeintlichen Knecht, zu vergreifen. Verblüfft erkennen sie in ihm ihren alten Freund Lips wieder, der von dem Justitiarius sofort als Mörder Gluthammers verhaftet und vorerst im Getreidespeicher eingesperrt wird.

Bei einem Rundgang durch den Speicher entdeckt Lips die Kellertür, öffnet sie – und erstarrt vor Schreck. Er vermeint den Geist Gluthammer als weißes Gespenst vor sich zu sehen. Gluthammer selbst ist nicht weniger entsetzt. In wilder Panik versuchen sie einander zu entkommen. Plötzlich hört man von draußen rufen: „Es lebe der Gnädige Herr!“ Krautkopf tritt herein, gefolgt von allen anderen. Er will beweisen, dass Lips unschuldig ist. Als sich auch noch Gluthammer aus dem Keller hervorwagt, muss auch der Justitiarius erkennen, dass sich sein Kriminalfall in Luft aufgelöst hat. Lips und Gluthammer versöhnen sich und gerne will Lips Mathilde dem Schlosser überlassen. Doch dem ist die Mathildelieb‘ inzwischen gründlich vergangen – in Lips aber ist die Kathilieb‘ erwacht. Sie soll seine Braut werden. Unter allgemeinen Vivatrufen endet das Stück.