Der Schwierige
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Inhalt
Seine Erlaucht, Graf Hans Karl Bühl, genannt Kari, ist der Schwierige – und zugleich der vermutlich feinsinnigste und nobelste Vertreter jenes österreichischen Hochadels, der mit dem Untergang der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg in Wahrheit zu existieren aufgehört hat und seit dem nur mehr ein merkwürdiges Scheindasein lebt. Kari ist um die Vierzig, hat im Krieg Schweres durchgemacht, ist im Schützengraben verschüttet worden, und hat hier auch die Angehörigen anderer Gesellschaftsschichten kennen und achten gelernt. Überheblichkeit war ihm wohl schon immer fremd gewesen, aber die Kriegserlebnisse haben ihn der bloß in oberflächlichen Konversationen dahinlebenden Gesellschaftsschicht, der er entstammt, noch mehr entfremdet - und dennoch ist er ob seiner eleganten, stilvollen Art ein überall begehrter Gast. In Kari lebt die zarte Scheu eines überaus empfindsamen Menschen, der keine näheren Bindungen einzugehen wagt, selbst dort nicht, wo echte Gefühle der Liebe sind, aus leiser Furcht, dadurch jemanden zu verletzten oder selbst verletzt zu werden. Dabei wirkt er auf die charmanteste Weise anziehend, hält sich aber zugleich auf die taktvollste Weise fern. Worte scheinen ihm unzulänglich, um die Kompliziertheit menschlicher Beziehungen auch nur annähernd adäquat auszudrücken. Selbst das, was man bloß in Gedanken vor sich selbst ausspricht, erscheint ihm gelegentlich schon zu indiskret und überheblich zu sein. Was er sagt, bleibt stets auf die höflichste Weise unverbindlich, um nur ja niemand seiner inneren Freiheit zu berauben.
Kari bildet einen scharfen Kontrast zu dem arroganten norddeutschen Baron Neuhoff, dem jede Feinsinnigkeit mangelt und der zugleich in beinahe peinlich schmeichlerischer Weise versucht, sich Kari anzubiedern, weil ihm dies gesellschaftlich opportun erscheint, obwohl er Kari, wie den ganzen „dekadenten“ österreichischen Hochadel, in Wahrheit verachtet. Und wie indezent spricht er davon, dass er um die Hand der jungen Helene Altenwyl anhalten will, jener Helene Altenwyl, die Kari seit langem liebt, was er allerdings nicht einmal vor sich selbst auszusprechen wagt.
Noch andere Gestalten begleiten Karis zwar schwieriges, aber lichtvolles Wesen wie ein dunkler Schatten. Da ist etwa der neue Diener Vinzenz, dem es allein darum geht, seinen neuen Herrn möglichst schnell „in den Griff zu bekommen“. Und da ist Karis Sekretär Neugebauer, der seine langjährige Verlobte sitzen lässt, weil er eine vorteilhaftere Ehe einzugehen hofft und auch noch unpassend scheinende Ressentiments gegen die ganze Adelsgesellschaft zu hegen scheint.
Stani wiederum, der Neffe von Hans Karl, eifert seinem Onkel in vieler Beziehung nach, zumindest was seinen Charme und seine gesellschaftliche Gewandtheit betrifft, teilt aber ansonsten ganz und gar nicht die innere Zurückhaltung Karis, sondern verfolgt sehr dezidiert seine Absichten und weiß bezüglich der Frauen sehr klar zwischen Geliebten und möglichen künftigen Ehefrauen zu unterscheiden.
Absichten zu verfolgen ist Kari hingegen ein Gräuel. Als ihn daher seine Schwester Crescence bittet, auf einer Soiree bei Altenwyls die Verlobung ihres Sohnes Stani mit Helene Altenwyl anzubahnen, willigt Kari nur widerstrebend ein. Und außerdem ist ja da noch dieses unaussprechliche Gefühl für Helene, das er sich aber nicht eingestehen mag. In einer gewissen, kaum zu nennenden Weise fühlt er sich wohl unwürdig, sie wiederzulieben, weil er sich den leisen inneren Vorwurf machen muss, bei seinem Fronturlaub im zweiten Kriegsjahr eine Liaison mit Antoinette Hechingen gehabt zu haben, deren Mann, Graf Adolf Hechingen, er später draußen im Feld kennen und schätzen gelernt hat. Seitdem ist es ihm ein drängendes Herzensanliegen, Antoinette wieder mit ihrem Ado zusammenzubringen.
Helene hat inzwischen Neuhoffs Werben elegant, aber deutlich zurückgewiesen. Als der Baron sich daraufhin in seiner strammen norddeutschen Art an Antoinette heranmacht, die wohl auch ein rechtes Glanzlicht auf seine gesellschaftliche Position werfen könnte, erfährt er die nächste schroffe Abfuhr. Glücklich hat Ado Hechingen die ganze Szene von Ferne beobachtet und hofft in seiner berührend ehrlichen, aber naiven Art durch die Vermittlung seines lieben Freundes Kari nun endlich seiner Frau nahe zu kommen, ihr nahe zu kommen als ein Verwandelter, wie er meint, als ein neu enflammierter Verehrer - doch Toinette will davon nichts wissen; sie findet ihren Mann einfach langweilig und gesellschaftlich indiskutabel. Sie ist, wie ihr Mann selbst mehrfach betont, der „Typus der grande dame des achtzehnten Jahrhunderts“ und stets umschwärmt von Verehrern, doch wirklich faszinieren kann sie nur das unübersehbare Flair von Karis glanzvoller Persönlichkeit. Doch den kann sie nicht haben, denn der hat sich ihr bereits auf die charmanteste Weise entzogen. Mit Hinweis auf ihre drückende Migräne bittet sie Ado schließlich, sie zu ihrem Auto zu geleiten. Für den armen Ado bricht eine Welt zusammen.
Dass Helene und Kari am Ende doch noch zusammenkommen, wie es von Anfang an bestimmt zu sein scheint, ist ganz Helene zu danken, die Kari wirklich versteht und ihn in feinsinnig zärtlicherster und dezentester Weise glaubhaft zu überzeugen weiß, dass diese Verbindung weder ihm noch ihr selbst jene innere Freiheit raubt, die Kari so heilig ist.