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** Premiere 30. Juni 2006, Musisches Zentrum Wien | ** Premiere 30. Juni 2006, Musisches Zentrum Wien |
Version vom 11. Juli 2023, 11:01 Uhr
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Inhalt
Nachdem der Spielansager das Spiel angekündigt hat, erscheint Gott der Herr. Nicht länger kann er das das sündhafte Betragen der Menschen ertragen und befiehlt dem Tod, Jedermann vor seinen göttlichen Richterstuhl zu bringen.
Jedermann, der indessen sein Leben in Saus und Braus führt und vor keiner der sieben Todsünden zurückschreckt, zeigt nur wenig Mitgefühl für seine Mitmenschen. Den armen Nachbarn, der um ein angemessenes Almosen bittet, weist er ebenso schroff zurück wie den Schuldknecht, den er eher in den Schuldturm werfen lässt, als ihm die Schulden zu erlassen. Allein seinem Weib und den Kindern will er ein dürftiges Auskommen gewähren, um sein Gewissen zu beruhigen.
Begleitet von seinem guten Gesell lässt Jedermann ein großes Festmahl für seine Freunde und Verwandten vorbereiten. Die Ermahnungen seiner hochbetagten Mutter, die schon am Rand des Grabes steht, sich zu besinnen, dass auch ihn selbst jederzeit der Tod treffen könne, versucht er zwar unwillig beiseite zu schieben, doch schon befällt ihn leise Melancholie. Da tritt die Buhlschaft, geleitet von Spielleuten und Buben, fröhlich heran, ihn zum Festmahl zu geleiten.
Das üppige Mahl ist im vollen Gang, aber düstere Vorahnungen quälen Jedermann. Für einen Moment scheint ihm, als wäre die ganze Gesellschaft in Totenhemden gekleidet und dumpfe Glocken vermeint er zu vernehmen. Die Buhlschaft sucht ihm die trüben Gedanken an den Tod zu verscheuchen, als er plötzlich seinen Namen rufen hört. Der Tod erscheint und kündigt ihm sein nahendes Ende an. Erschüttert und geängstigt fleht ihn Jedermann an, sich einen Begleiter für seine letzte Reise erwählen zu dürfen. Der Tod gewährt ihm dazu eine letzte Frist, doch selbst sein guter Gesell, sonst in jeder Hinsicht dienstbeflissen, mag diesen Weg nicht mit ihm gehen. Auch alle vermeintlichen Freunde, die Vettern und Bedienstete verweigern ihm die Gefolgschaft. Zuletzt will Jedermann sich noch an seine Schätze klammern, doch Mammon verweigert ihm höhnend den Dienst.
Jedermanns Werke treten nun in Gestalt eines alten gebrechlichen Weibes auf. Allmählich beginnt Jedermann seine Verfehlungen zu begreifen. Als noch die Schwester der Werke, der Glaube, auftritt und ihn tadelt, wirft sich Jedermann auf die Knie und fleht den Erlöser um Gnade an, dann geht er ab, um von dem Mönch die Sterbesakramente zu empfangen. Der Teufel, der schon fest auf Jedermanns Seele hofft, wird indessen vom Glauben, den Werken und den Engeln, die nun erscheinen, zurückgewiesen. Der Teufel beklagt sich bitter über die ihm geschehende vermeintliche Ungerechtigkeit, muss aber doch von Jedermann lassen. Gesalbt und bereit für seinen letzten Gang versinkt Jedermann, geleitet von seinen Werken, die sich an seiner ehrlichen Reue gelabt und gestärkt haben und nun seine Fürsprecher sein sollen, unter Engelsgesang ins Grab.
Das Geld
„Und war schließlich das verstörendste aller Rätsel nicht immer noch das Rätsel des Geldes?
Denn schließlich befand man sich hier einem Urgesetz, einem grausamen Grundgesetz gegenüber, das in Kraft ist und zur Anwendung kommt, seit die Welt besteht.
Seine Regeln sind dauerhaft gültig und stets eindeutig. Geld zieht Geld nach sich, ist bemüht, sich immer an den gleichen Stellen zu sammeln, es bevorzugt als Empfänger Schurken und Mittelmäßige; und wenn es dann unergründlicherweise einmal eine Ausnahme macht und sich bei einem Reichen häuft, dessen Seele weder mordlustig noch schäbig ist, bleibt es unfruchtbar, außerstande, sich in gescheites Gut zu verwandeln; nicht einmal von mildtätigen Händen ausgegeben vermag es irgendeinen höheren Zweck zu erfüllen. Fast möchte man meinen, daß es sich auf diese Art für seine falsche Bestimmung rächt, daß es sich bewußt selber lähmt, sobald es einmal nicht den elendsten Halunken, den widerwärtigsten Rüpeln gehört.
Noch Seltsameres geschieht, wenn es sich gar, entgegen aller Normalität, in das Haus eines Armen verirrt. Den nämlich beschmutzt es dann, sofern er rein ist, augenblicklich; es treibt die Züchtigsten der Notleidenden zur Begehrlichkeit, bringt bei dieser Gelegenheit gleich auch Körper und Geist ganz unter seine Kontrolle, verführt sodann seinen Besitzer unmerklich zu niederem Egoismus, zu gemeinem Stolz, flüstert ihm ein, sein Geld nur für sich allein zu verwenden, macht den Demütigsten zum hoffärtigen Lakaien, den Großzügigsten zum Geizhals. In Sekundenschnelle verwandelt es sämtliche Gewohnheiten, wirft sämtliche Ansichten über den Haufen, wandelt die halsstarrigsten Leidenschaften, und das im Handumdrehen.
Es ist das nahrhafteste Futter der großen Sünden und ist gewissermaßen auch ihr sorgsamster Buchhalter. Wenn es einmal zuläßt, daß ein Besitzer selbstlos handelt, Almosen spendet, einem Armen Gutes erweist, entfacht es in diesem Armen alsbald Haß gegen Wohltätigkeit; es ersetzt Geiz durch Undank, stellt die Balance wieder her, so daß sich unterm Strich alles ausgleicht und nicht eine Sünde zuwenig begangen wird.
Seine wahre Monstrosität freilich entfaltet es erst, wenn es den Skandalglanz seines Namens hinter dem dunklen Schleier eines Wortes verbirgt und sich »Kapital« nennt. Dann beschränkt sich seine Tätigkeit nicht mehr darauf, Einzelpersonen zu verleiten und ihnen Diebstähle und Morde anzuraten, sondern es weitet sie aus auf die gesamte Menschheit. Mit nur einem Wort verfügt das Kapital die Gründung von Monopolen, errichtet es Bankhäuser, hamstert es wucherisch Nahrungsmittel, entscheidet es über Leben, kann es, wenn es will, Tausende von Menschen dem Hungertod preisgeben!
Das Geld selber aber liegt währenddessen in einem Kassenschrank, wo es ganz von allein sich sättigt, sich mästet, sich fortzeugt; und Alte und Neue Welt beten es an, knien voll verzehrender Begierden vor ihm nieder wie vor einem Gott.
Nun denn! Entweder ist dieses Geld, das die Seelen dergestalt beherrscht, teuflisch, oder eine Deutung seines Wesens ist unmöglich.“ (Lit.: Joris-Karl Huysmans: Tief unten, Verlag Philipp Reclam jun., Stuttgart 1994, S 18 ff.)